Kloßologie

Liebe Freunde der gepflegten Küche,

hier findet Ihr Auszüge aus meinem neuesten Buchprojekt, einem Buch über Thüringer Klöße.

Gibt's schon?! Ja, aber nicht so eines. Ich habe die Freude, dieses Werk mit dem derzeit bedeutendsten Vertreter der "Kloßologie" zu schreiben. Matthias Gose ist studierter Historiker und Stadtführer in Erfurt, der Seminare zum Thema Thüringer Klöße anbietet.

Das Buch erscheint im Rhino Verlag Ilmenau und wird in diesem Sommer an vielen Stellen in Thüringen - z. B. Tourist-Informationen u. ä. - erhältlich sein. Eine gute Geschenkidee, finde ich, die auch als Mitbringsel geeignet ist.

Viel Spaß beim Lesen.

PS: Die modernen Rezepte finden sich dann Stück für Stück unter dem Label Klöße.


Einführung in die „Kloßologie“
Thüringen, das „grüne Herz Deutschlands“, ist für vieles bekannt – für seine Landschaft, seine Gastfreundschaft und seine leiblichen Genüsse. Bei letzteren ragen zwei Speisen ganz besonders heraus. So sehr, dass sie mit großem Stolz den Beinamen „Thüringer“ führen. Gemeint sind die Thüringer (Rost-)Bratwürste und – natürlich – die Thüringer Klöße. Wenn es um diese kulinarischen Heiligtümer geht, verstehen die Thüringer auch keinen Spaß. Mehr noch: Sie machen eine Wissenschaft daraus. In unserem Falle die „Kloßologie“.

Damit sich ein Wissensgebiet mit Fug und Recht Wissenschaft nennen darf, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Forschung und Lehre. Derzeit bedeutendster Vertreter der Kloßologie ist der Erfurter Kloßpfarrer Matthias Gose. Das hier vorliegende Buch basiert auf seinen Forschungsergebnissen und beinhaltet seine „Lehrtraktate“, die er in eigenen Lehrgängen in einer Ausbildungseinrichtung für angehende Gastronomen in Erfurt, dem DEHOGA Thüringen Kompetenzzentrum, an Kloßologie-Eleven  jeden Alters weitergibt. Mithin ist dieses Buch also das Standardwerk der modernen Kloßologie.

Begründer der Kloßologie war Carl Wilhelm Ernst Putsche – ein vielseitig interessierter Pfarrer aus dem kleinen Örtchen Wenigen-Jena. Das besondere Interesse dieses Gottesmannes galt der Kartoffel. Darum veröffentlichte er zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Buch mit dem Titel „Versuch einer Monographie der Kartoffeln oder ausführliche Beschreibung der Kartoffeln, nach ihrer Geschichte, Charakteristik, Kultur und Anwendung in Deutschland“.

Neben der schon genannten Ausbildungseinrichtung wird die Kloßologie heute noch an einem weiteren Ort gepflegt, in der Thüringer Kloß-Welt Heichelheim. Hier befinden sich neben dem weltweit einzigartigen Kloßmuseum auch eine Kinder Kloß-Welt und die Thüringer Kloß-Manufaktur. Die Kloß-Welt Heichelheim gilt damit als das Mekka der Kloßologie.

Der Thüringer Kloß im Allgemeinen und im Besonderen
Thüringer Klöße, Grüne Klöße, Hütes, auch Knölla sind handgeformte, aus 2/3 rohen geriebenen und 1/3 zer kochten Kartoffeln hergestellte, kugelrunde Nahrungsmittel, die im Original die Größe eines Kindskopfes haben sollen. Im Sinne heutiger Ernährungsgewohnheiten sollte man sich auf die Kopfgröße eines Neugeborenen beschränken.

Grüne Klöße sind in manchen Gegenden Klöße, die nur aus rohen Kartoffeln hergestellt werden. Die Bezeichnung Hütes (mancherorts auch Hüts, Höbes oder Hebes) geht auf die Entstehungssage zurück, von der noch die Rede sein wird. Mit Knölla wird in der Gegend um Lauscha die knäuelförmige Erscheinung des Kloßes beschrieben.

Kloßrezepte sind Bestandteil der regionalen Kultur. Sie werden von Generation zu Generation weiter gegeben. Es gibt zwischen einzelnen Dörfern, Regionen und Familien Unterschiede in der Zubereitung, die jeweils als das „Originalrezept“ – zur Not bis aufs Blut – verteidigt werden. Der Unterschied besteht insbesondere darin, wie das Verhältnis zwischen rohen und gekochten Kartoffeln ist, ob und welche Semmelbrösel (auch Bröckchen oder Weckbröckla genannt) verwendet werden, ob die Kartoffelstärke, die sich im Reibewasser der rohen Kartoffel absetzt, beigemischt wird und ob geschwefelt wird. Auch über die „richtige“ Konsistenz der verzehrfertigen Klöße gibt es unterschiedliche Ansichten, wobei sehr weiche, auf dem Teller zerfließende oder festere, bis hin zu kugelstabilen Zubereitungen bevorzugt werden können.

Die Rolle des Kloßes in der Thüringer Küche
Thüringer Klöße werden traditionell zum Sonntagsbraten mit viel Soße und Krautsorten serviert. Ideale Sonntagsbraten zu Klößen sind Wildgerichte, schwere Geflügel wie Ente oder Gans, Sauerbraten, Rouladen, Gulasch und andere Braten aus dunklem Fleisch. Nicht geeignet sind Fisch und Krustentiere, helle Soßen und Rohkost.

Allerdings sind selbst bei orthodoxer Auslegung dieser Regel zwei Ausnahmen statthaft:

  •  Der traditionelle Neujahrskarpfen darf durchaus auch mit Klößen serviert werden.
  • Im fischreichen Plothener Seenland bei Greiz dürfen Klöße zu allen Fischgerichten gereicht werden, sonst kämen die dortigen Eingeborenen wohl nie in diesen Genuss.


Besondere Bedeutung bei Kloßgerichten kommt der Soße zu. Diese muss reichlich vorhanden sein. Die Faustregel lautet „Schwimme’ mösse ’se! – Schwimmen müssen sie“.


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